Führung

Führung braucht Visionen, Erfahrungen und emotionale Intelligenz so könnte man, die Essenz der guten Führung zusammenfassen. Aber in einer Zeit in der die Machtgrundlagen von klassischer Führung immer stärker erodieren, ist die Frage alles andere als trivial wie diese Eigenschaften sich im Führungsalltag entfalten können und wie eine einzelne Person diese Eigenschaften in sich vereinen kann.

Führungsforschung im Hochleistungsbereich

Zukunft Personal 2017 

Wie führt man Hochleistungsteams?

 

 Um herausragende Leistungen zu erbringen sind besondere Führungsansätze erforderlich. Prinzipien und Praktiken dieser Führung können im Rahmen von Hochleistungsteams beobachtet werden. Auf der „Zukunft Personal 2017“ (Köln) hat Peter Pawlowsky die Grundlagen dieser Führungsansätze in Hochleistungsteams dargestellt. Hoch dekorierte Gourmet-Küchen, die besten Luftrettungsteams, die weltbesten Segelteams, Spitzen-Symphonieorchester, herausragende mittelständische Unternehmen und Top-Instandhaltungsteams in der Automobilindustrie wurden mit wissenschaftlichen Methoden in der Tiefe durchleuchtet. Inhalt des Vortrags: Die besten Teams der Welt arbeiten alle nach ähnlichen Grundprinzipien – unabhängig von ihrer speziellen Aufgabe. Welches sind die Führungsansätze in Hochleistungsteams und welche Transfermöglichkeiten ergeben sich für Führung und Team-Management in Organisationen?


Perspektiven der Führungsforschung - Theoretische Grundlagen

Trotz der Forschungsfülle zu Führungsfragen haben wir erstaunlich wenig wissenschaftlich gesicherte Befunde zu effektiver Führung von Gruppen in dynamisch, komplexen Umweltsituationen. Die aktuellen Diskussionen zu Führung in Kontexten, die mit Begriffen wie Enterprise 2.0 und Leadership 2.0 umschrieben werden, reichen daher von einer „Auflösung der personellen Führung“ angesichts der zunehmenden Machtverschiebung in Richtung auf die kollektive Netzwerkintelligenz (Kruse 2004) bis zur „Revitalisierung charismatischer Führungsideale“, die Komplexität, Ungewissheit und Dynamik mit ihren klaren Zielansagen und überzeugenden Sinnvermittlungen trotzen (Nanus 1994; Scholz 1997). Ähnlich fragt Sprenger (2012): „Sind Manager nun Helden mit Follow-me–Aura, die mit visionärem Weitblick und strategischen Geschick das Unternehmensschiff durch die Fährnisse der Marktturbulenzen steuern? Oder sind sie lediglich Marionetten des Systems?“ (Sprenger 2012: 44).

 

Die Extrempole, die sich in dieser Diskussion zeigen, durchziehen im Kern die gesamte Führungsforschung. Einerseits wird Führungserfolg als Ergebnis der Persönlichkeit und des Verhaltens von Führungspersonen interpretiert, andererseits wird erfolgreiche Führung als

Ergebnis einer wechselseitigen Einflussnahme der Gruppe bzw. der Geführten auf den Führenden gesehen.

 

Führerzentrierte Ansätze gehen davon aus, dass Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen Einfluss auf Prozesse und somit auf Outputgrößen ausüben. Die führungszentrierte Forschung konzentriert sich primär auf Beiträge, welche individuelle Führer leisten und welche Verhaltensmuster sie verwenden, um Teamprozesse und -erfolg zu beeinflussen. Führungstheorien wie z. B. Weg-Ziel-Theorie („path goal theory“) (Evans 1970, House 1971), LMX-Theorie („leader-member-exchange theory“ ) (Danserau et al. 1975; Graen/Uhl-Bien 1995) sowie neo-charismatische und transformationale Führungstheorien (Conger/Kanungo 1998; Conger et. al. 2000, Bass 1985, Bass/Avolio 1993) formulieren empirisch plausible Annahmen, um zu erklären, wie durch das Führungsverhalten des Vorgesetzten die Einstellungen, Motive, Anstrengungen und Leistungen der Untergebenen in einer dyadischen Beziehung beeinflusst werden können.

 

Andere Führungsmodelle wie z. B. unterschiedliche Kontingenzmodelle (Fiedler 1971), normative Entscheidungsmodelle (Vroom/Yetton 1973) und Führungssubstitutionsmodelle (Kerr/Jermier 1978) beschreiben, wie Gruppeneigenschaften und situative Variablen die Effektivität von Führungsverhalten moderieren. Es wird auch hier die zentrale Bedeutung des Verhaltens der individuellen Führungsperson betont, die die Führungsrolle einnimmt und die Hauptverantwortung trägt, um die notwendigen Bedingungen für den Teamerfolg zu gestalten. Die Geführten hingegen werden weitgehend als passive Kontingenzfaktoren betrachtet, und ihre Rolle liegt in der Legitimationsgewährung qua Positionsautorität gegenüber der Führungskraft. Innerhalb dieser Perspektive liegt die Zielgröße von Führungsentwicklungsinstrumenten in individuellen Führungskompetenzen (Day 2000) begründet. Obwohl diese Ansätze Erklärungsbeiträge zum Verständnis organisationaler Führung in relativ stabilen kontinuierlichen Kontexten leisten, greifen sie definitiv zu kurz, um zu erklären, wie Führung die Teameffektivität in wechselnden, turbulenten und dynamischen Kontexten erfolgreich beeinflusst.

Angesichts der zunehmend komplexen, vernetzten, dynamischen und hochvolatilen Organisationsumwelt, welche Flexibilität, Adaption und rasche Reaktionsfähigkeit erfordert, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können, ist es zunehmend fragwürdig, ob traditionelle, top-down, heroische, mit rigiden Hierarchien behaftete Führungskonzepte, welche eine einzelne Person als exekutive Führung betrachten, angemessen sind? Einzelne Personen sind immer weniger in der Lage, komplexe Aufgabenstrukturen, eingebettet in intra- und interorganisationale Netzwerke unter Berücksichtigung von hochspezialisiertem Experten-Know-how „richtige“ und legitimierbare Entscheidungen zu treffen.

 

Die teamzentrierte Führungsperspektive hingegen betont die Prinzipien der kollektiven Führung, bei der die Verantwortung der Anweisung und des Managements kollektiver Anstrengungen unter Teammitgliedern verteilt ist. Diese Perspektive beinhalte Ansätze wie „shared leadership“ (Pearce/Conger 2002; Carson et al. 2007), „self-managed teams“ (Manz/Sims 1980), Team-empowerment (Kirkman/Rosen 1997) oder „distributed leadership“ (Gronn 2002) und hat u. a. seine Wurzeln in den frühen Arbeiten von situativer Führung und transformationaler Führung, welche das Empowerment der Gruppenmitglieder und die stark mediatisierende Wirkung von Gruppenprozessen betonen. Trotz des Mangels an „echter“ teambasierter Führungsforschung zeigt sich dennoch in jüngster Zeit ein Anstieg an konzeptionellen Arbeiten, Modellen und empirischen Studien (Burke et al. 2006; Hackman/Wageman 2005; Day et al. 2006; Morgeson 2005).

 

Führung wird in diesen Ansätzen nicht überflüssig, sondern relativiert sich im Hinblick auf die Machtverteilung und Funktion. Die Leistung effektiver Teams scheint hier vielmehr das Ergebnis gut koordinierter und synchronisierter Handlungen der einzelnen Teammitglieder zu sein (Zaccaro/Klimoski 2002: 4). Gemäß Kogler-Hill (2007: 209) beginnt effektive Teamleistung mit einem mentalen Modell der Führungsperson. Dieses umfasst Problemdefinitionen und mögliche Lösungsansätze sowie Informationen zu den in der Umwelt und Organisation vorherrschenden Bedingungen, die den Kontext der Handlungen bestimmen (Yukl 2010: 362; Kogler-Hill 2007: 209, Zaccaro et al. 2001: 459). Wesentlich ist der soziale Prozess, bei der dieses individuelle Modell zu einem Teammodell wird. Studien belegen, dass Teams höhere Leistungen erbringen können, wenn die Mitglieder ein klar definiertes, mentales Modell miteinander teilen (u. a. Edwards et al. 2006; Lim/Klein 2006; Marks et al. 2000; Klimoski/Mohammed 1994). Dabei liegt es insbesondere in der Verantwortung des Führers, das mentale Modell gemeinsam mit der Gruppe zu entwickeln und die Rahmenbedingungen (Problem, Zielstellung, Umstände in Organisation und Umwelt) mittels der vorhandenen Informationen und Ressourcen zu definieren (Kogler-Hill 2007: 209; Zaccaro et al. 2001: 461 f.). Wenn Teams vor allem in komplexen und dynamischen Umgebungen Leistung erbringen (Zaccaro/Klimoski 2002: 4; Zaccaro et al. 2001: 452), ist es von besonderer Bedeutung, dass die Teammitglieder nicht nur über die Fähigkeiten zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben verfügen, sondern auch klare Rollen im Team einnehmen (Yukl 2010: 363), die durch das mentale Modell des Teams definiert werden (Zaccaro et al. 2001: 459). Margerison und McCann (1990), die besonders erfolgreiche Teams untersuchen, identifizierten neun potentielle Schlüsselrollen (s. a. Robbins 2001: 318), wobei jede Rolle einen kritischen Beitrag zur Zielerreichung leistet (Zaccaro/Klimoski 2002: 4; Zaccaro et al. 2001: 457). Erfolgreiche und effektive Teams sind in der Lage, alle Rollen zu besetzen, wobei mehrere Rollen auch durch ein Individuum besetzt werden können (Robbins 2001: 318 Margerison/McCann 1990). Führer effektiver Teams müssen die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Teammitglieder kennen, um diesen gezielt Rollen zuweisen zu können. So sollten Führungskräfte bereits bei der Zusammenstellung des Teams einen situationsspezifischen und am Problem orientierten Mix komplementärer Fähigkeiten sicherstellen, um somit die individuellen Beiträge der Teammitglieder gezielt einsetzen und koordinieren zu können (Yukl 2010: 363; Bass 2008: 775; Robbins 2001: 318; Zaccaro et al. 2001: 457 ff.). Weiterhin bedarf der Einsatz der Teamrollen, speziell vor einzelnen Operationen, der Planung, Organisation und Koordination der Fähigkeiten und Ressourcen sowie der Verarbeitung der aufgabenspezifischen Informationen aus Organisation und Umwelt (Yukl 2010: 363; Kogler-Hill 2007: 209; Zaccaro et al. 2001: 457). Teamführer können hierbei bspw. durch Briefings, also Einweisungsgesprächen vor wichtigen Ereignissen, das Team unterstützen und somit Einfluss auf die Effektivität und Leistung des Teams nehmen (u. a. Marks et al. 2000; Bass 2008: 775; Zaccaro et al. 2001: 465).

 

Quelle Pawlowsky et al (2014). siehe Publikationen Nr. 157)